Nach Slimmys Tod war für mich klar, dass dieser Haushalt nicht auf Dauer „Katzenfrei“ bleiben wird. Ich war mir nur nicht ganz sicher, ob ich erst einmal „nur“ Pflegestelle werden, oder doch direkt ältere Tiere aus dem Tierschutz adoptieren wollte. Diese Überlegungen sind bei (erschreckend) vielen Personen aus meinem Umfeld auf Unverständnis gestoßen.
Warum denn keine Kitten?
Ich war ehrlich erstaunt, für wie viele Menschen die „Anschaffung“ neuer Katzen automatisch bedeutet, sich Kitten ins Haus zu holen. Ein Kitten (erschreckend, wie viele Menschen Kitten in Einzelhaltung noch immer als völlig „natürlich“ ansehen) war sowieso von vornherein komplett ausgeschlossen und auch zwei Kitten wären für mich keine Option. Aus einem einfachen Grund: Hier geht es ja nicht um die Anschaffung eines Spielzeugs oder Gebrauchsgegenstands, sondern um Lebewesen mit individuellen Bedürfnissen, die man befriedigen können muss! Versteht mich nicht falsch: Klar sind Kitten süß und klar ist es schön, Katzen ihr ganzes Leben lang zu begleiten. Aber an erster Stelle stehen doch die Bedürfnisse der Tiere! (Und ganz ehrlich gesagt habe ich persönlich auch ein besonderes Faible für Seniorenkatzen, die genauso „süß“ wie Kitten sein können.)
Für energiegeladene Kitten und (nach kurzer Zeit) Teenager habe ich aber schlichtweg nicht genug Platz (und ganz offen gesagt auch nicht die Nerven). Außerdem kann niemand genau vorhersagen, wie sich Kitten charakterlich entwickeln werden. Was, wenn sie sich zunehmend auseinanderentwickeln und als erwachsene Katzen gar nicht mehr „miteinander können“? Freigang ist hier nicht möglich und für ein friedliches „Nebeneinanderherleben“ bräuchten sie deutlich mehr Platz, um sich aus dem Weg gehen zu können, als ich ihnen bieten könnte.
Daher war für mich von vornherein klar: Es müssen erwachsene Katzen sein, die außerhalb ihrer „irren fünf Minuten“ vor allem daran Interesse haben, von einem gemütlichen Schlafplatz zum anderen zu wandern, sich draußen in der Sonne zu aalen oder Vögel bzw. die Nachbarschaft zu beobachten etc.
Warum ausgerechnet eine kranke alte Katze aus dem Tierschutz?
Klar, zwischen Kitten und bereits kranken Seniorenkatzen gibt es noch jede Menge anderes. Ich wäre auch einem „mittelalten“ Pärchen mit zu meinen Lebensumständen passendem Charakter nicht abgeneigt gewesen. Dann habe ich aber Minki auf der Homepage der Arche Noah gesehen und mich gleich schockverliebt. Und als sie sich bei unserem ersten Aufeinandertreffen gleich schnurrend „an mich geschmissen“ hat, war klar, die ist es.
Ursprünglich war übrigens geplant, dass nach einer kurzen Eingewöhnungsphase für die blinde Minki noch ein Kumpel für sie einziehen sollte (der erst noch eine Zahn-OP hinter sich bringen musste). Da sich aber sehr schnell herausgestellt hat, dass Minki doch kränker war als gedacht, doch deutlich mehr Tierarztbesuche ins Haus stehen als erhofft und sie nicht den Eindruck gemacht hat, als würde sie hier irgendetwas oder irgendjemand vermissen, habe ich angefangen zu grübeln. Was, wenn die Zusammenführung zu viel Stress für Minki ist? Was, wenn sie zwar klappt, aber die ständigen Tierarztbesuche die Beziehung dann schwierig machen? Was, wenn der Kater irgendwann doch gelangweilt ist und allfällige Spielversuche für die blinde und gerade mal zwei Kilo leichte Minki „blöd“ ausgehen? Nachdem auch die Tierärztin gemeint hat, sie würde in dieser speziellen Situation von einer Zweitkatze abraten, habe ich schweren Herzens im Tierheim angerufen und Bescheid gegeben, dass ich den Kater doch nicht nachholen werde. Im Nachhinein hat sich das für mich als richtige Entscheidung herausgestellt. Selbst wenn die Zusammenführung problemlos gelaufen wäre, hätte ich vermutlich jetzt hier einen „traumatisierten“ Kater sitzen. Umzug, Zusammenführung, dann plötzlich massive neurologische „Aussetzer“ und komplett unverständliches Verhalten der anderen Katze, die dann auf einmal weg ist und nicht wiederkommt…
Zwischen „komplett verrückt“ und „Menschen wie du“
Die Reaktionen auf meine Adoption von Minki waren zweigeteilt. Zum einen bekam ich Dinge à la „Warum bindest du dir denn schon wieder einen Pflegefall ans Bein?“ zu hören, zum anderen kamen viele Reaktionen, wie schön es sei, dass es „Menschen wie dich gibt, die auch solchen Tieren noch eine Chance geben“.
Ich persönlich halte meine Entscheidung für Minki weder für verrückt noch für selbstlos. Im Gegenteil, da waren schon auch viel Egoismus und Abwägung dabei.
Als ich mich für sie entschieden habe, stand fest, dass sie blind ist und eine Schilddrüsenüberfunktion hat. Beides jetzt keine „Riesenbaustellen“. Ich stelle ohnehin nicht alle paar Wochen die Möbel in der Wohnung um und eine Schilddrüsenüberfunktion ist im Gegensatz zu den ganzen medizinischen Baustellen, die ich von Slimmy gewohnt war, erstmal auch kein Drama. Mit jodreduziertem Futter und der richtigen medikamentösen Behandlung können solche Katzen eine durchaus normale Lebenserwartung haben (wenn nicht auch andere Organe wie Herz oder Nieren in Mitleidenschaft gezogen worden sind) . Auch als sich herausgestellt hat, dass da doch noch weitere medizinische Probleme vorhanden sind, dachte ich, das wäre kein extrem großes Problem. Die Verdauung hatten wir schnell im Griff, die bakterielle Blasenentzündung war in Behandlung und noch ein zusätzliches Medikament für die Leber zu geben, war jetzt auch kein besonderer Zusatzaufwand. Als nächstes wollten wir noch das immer wieder mal auftretende auffällige Atemgeräusch abklären lassen. Wäre das vom Herzen oder der Lunge ausgegangen, hätte es sicherlich Behandlungsmöglichkeiten gegeben… Als „Pflegefall“ habe ich Minki nie gesehen. Und das war sie auch nicht. Mit Ausnahme der letzten rund 24 Stunden ihres Lebens war sie ein Sonnenschein, der halt ein bisschen (mehr) medizinische Hilfe gebraucht, sich aber sichtlich wohlgefühlt und das Leben genossen hat.
In den knapp drei Wochen, die sie bei mir war, hat Minki mir sehr viel Freude bereitet. Es war so schön zu sehen, welche Fortschritte sie gemacht hat, wie sie hier noch einmal aufgeblüht ist und wie schnell sie sich hier eingelebt hat. Wer das noch nie erlebt hat, kann sich gar nicht vorstellen, wie toll das ist, wenn die Katze, von der man schon dachte, dass sie zu alt (und im Bewegungsapparat schon zu eingeschränkt) ist, um sich selbst ordentlich zu putzen, auf einmal doch wieder damit anfängt. Oder als sie es das erste Mal geschafft hat, ganz alleine auf das Sofa zu kommen. Und erst, als sie nach ein paar Malen keine vorsichtigen „Klimmzüge“ mehr dazu gebraucht hat, sondern mit den Hinterbeinen abgesprungen ist. Oder wie sie vom ersten Tag an regelmäßig meine Nähe gesucht hat, um sich ausgiebig kraulen, streicheln und bürsten zu lassen.
Es war also keineswegs selbstlos von mir, ausgerechnet diese Katze aufzunehmen. Eine komplett scheue, aggressive oder anderweitig „total unzugängliche“ Katze, bei der jeder Tierarztbesuch und jede Medikamentengabe ein Riesenproblem gewesen wäre und die am liebsten überhaupt nichts mit mir zu tun gehabt hätte, hätte ich mir nicht zugetraut und mir auch nicht „angetan“.
Hat das Tierheim „etwas verschwiegen“?
Da ich entsprechende Vermutungen von einigen Seiten zu hören bekommen habe, ist es mir besonders wichtig, an dieser Stelle ganz klar festzuhalten: Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass das Tierheim mir keine medizinischen Baustellen von Minki verschwiegen hat, nur um eine alte Katze „anzubringen“!
Das Tierheim hat halt einfach nur begrenzte finanzielle und personelle Möglichkeiten. Die Tiere erhalten einen „Basischeck“ und wenn sie auffälliges Verhalten zeigen, wird diesem nachgegangen. Es kann aber niemand erwarten, dass prophylaktisch jede erdenkliche Untersuchung an jedem einzelnen Tier vorgenommen wird. Auch ist klar, dass vieles im Tierheimalltag, wo nicht 24/7 jemand neben jedem einzelnen Tier sitzen und es beobachten kann, einfach nicht auffällt.
- Mir ist zum Beispiel gleich zu Beginn aufgefallen, dass etwas mit Minkis Verdauung nicht stimmen kann, weil ihr Kot etwas zu fest war und sie zwischendurch Streu gefressen hat. Klar, das ist leicht, mit EINEM Tier, vor allem, wenn man im Homeoffice arbeitet und ständig „daneben“ ist und wenn man – wie ich – daran gewöhnt ist, das Kisterl nicht einfach nur schnell sauber zu machen, sondern sich die Hinterlassenschaften routinemäßig genauer anzusehen. Ganz etwas anderes ist das, wenn man zig Dutzend Kisterl in kurzer Zeit saubermachen muss und eben nicht ständig beobachten kann, was jede einzelne Katze den ganzen Tag über so treibt.
- Die bakterielle Blasenentzündung war auch bei uns ein Zufallsbefund. Minki hat keinerlei Anzeichen dafür gezeigt (keine Unsauberkeit, keine erkennbaren Schmerzen beim Wischerln) und auch im Ultraschall ist der Tierärztin an der Blase nichts „ins Auge gesprungen“. Da ich aber durch Slimmy ja ein gebranntes Kind bin, dachte ich mir, es wäre sinnvoll, den Ultraschall gleich zur Entnahme einer sterilen Urinprobe zu nutzen, um auf Nummer sicher zu gehen. (Das hätte nicht einmal die Tierärztin von sich aus in dieser Situation gemacht…)
- Nach den ersten paar Tagen ist mir zum ersten Mal aufgefallen, dass Minki zwischendurch eigenartig atmet. Da sie so oft geschnurrt hat und das Geräusch nur phasenweise aufgetreten ist, konnte es wirklich nur im heimischen, ruhigen Umfeld überhaupt auffallen. Und auch ich habe das nicht sofort besonders ernst genommen. Zunächst dachte ich, sie hätte sich vielleicht einen leichten Schnupfen eingefangen, oder möglicherweise hätte das Herz (durch den Bluthochdruck) doch etwas abbekommen. Entsprechend habe ich es auf die Liste gesetzt, was noch tierärztlich abzuklären ist. Dafür hatten wir auch schon einen regulären Tierartztermin, den Minki gar nicht mehr erlebt hat.
- Wie sich im Nachhinein herausgestellt hat, war die Ursache für dieses Atemgeräusch wohl ein Tumor irgendwo im Kopf (Probleme mit Herz oder Lunge wurden noch kurz vor ihrem Tod bei ihrer Notfall-Aufnahme in der Tierklinik ausgeschlossen), der dann ganz zum Schluss auch zu neurologischen Symptomen geführt hat. Entsprechende Symptome hat sie aber drei Wochen lang hier (auch) nicht gezeigt, es sei denn, man rechnet die zeitweise auffällige Atmung dazu. Die hat aber am Vorabend ihres Todes die Tierärztin bei unserem ersten Notfall-Besuch in der Tierklinik auch noch nicht als akut problematisch eingestuft und auch nicht mit einem Tumor (für den es zu diesem Zeitpunkt noch keine andere Anzeichen gegeben hat) in Verbindung gebracht. Wie also hätte das Tierheim etwas diesbezügliches ahnen sollen?
Ob ich meine Entscheidung für eine alte Katze bereue?
Natürlich war mir klar, dass Minki nicht mehr „ewig“ leben würde und meine Hoffnungen wurden auch schon bei unserem allerersten Tierarztbesuch gedämpft, als die Tierärztin meinte, dass ich maximal noch mit ein paar Monaten rechnen könnte. Dass sie aber nur knapp drei Wochen bei mir sein würde, war nicht abzusehen.
Trotzdem bereue ich es nicht, Minki aus dem Tierheim geholt zu haben. Immerhin hat sie so die letzten drei Wochen ihres Lebens in einem eigenen Zuhause verbringen können, wo sie sich sichtlich wohlgefühlt hat. Sie hat gut gefressen, brav die Kisterl benutzt, es genossen, die Auswahl zwischen Sofa, Kuscheldecke und meiner Bettdecke (die ich während der Arbeit für sie auf den Boden gelegt habe, weil sie dort am liebsten während meiner Homeoffice-Zeiten neben mir geschlafen hat) zu haben. Endlich wieder stundenlang gestreichelt und geknuddelt zu werden, das war für sie sichtlich das Höchste. Und wenn dann auch noch Besuch gekommen und ein zusätzliches Paar Kraulhände zur Verfügung gestanden ist, da konnte sie sich gar nicht mehr einkriegen.
Aber ja, SO kurz nach dem Abschied von Slimmy schon wieder eine Katze zu verlieren war schlimm für mich und hat auch noch nicht wirklich verheilte Wunden wieder neu aufgerissen. Zumindest musste Minki nicht lange leiden und hat mir auch die Entscheidung abgenommen, wie lange wir noch irgendwas versuchen sollten, denn nach wenigen Stunden in der Tierklinik kam schon der Anruf, dass ich schnell kommen solle, weil die Katze im Sterben liege. Zum Glück bin ich noch rechtzeitig gekommen, um mich zu verabschieden. Das war mir ganz wichtig. Als ich sie im Tierheim abgeholt habe, habe ich ihr versprochen, dass sie ab jetzt einen Menschen hat, der sie bis ganz zum Schluss nicht im Stich lassen wird. Das musste ich halten, auch wenn sie mit ziemlicher Sicherheit in den letzten paar Minuten ihres Lebens gar nicht mehr mitbekommen hat, was um sie herum geschehen ist.
Zukunftspläne
Jetzt brauche ich erst einmal eine „Katzenpause“. Diesmal wird sie länger dauern als zwischen Slimmy und Minki. Wie lange? Ich weiß es nicht. Was ich weiß: Ganz ohne Katzen wird es auf Dauer nicht gehen. Und auch die nächsten Katzen werden keine Kitten sein.(;
Der Artikel berührt mich sehr, da ich schon einige Katzen hatte (davon zwei chronisch krank) und diese bereits über die Regenbogenbrücke gehen lassen musste. Aktuell habe ich zwei Katzen, die mittlerweile das Senioralter erreichen. Ab und an denke ich an die Zeit „danach“ und welche Katzen ich adoptieren möchte. Du bekräftigst mich in meinem Entschluss, unabhängig von Alter und „Wehwechen“ den jeweiligen zukünftigen Katzen eine Chance auf ein gutes Leben zu geben… Vielen lieben Dank für diesen wunderbaren Blogartikel! 🙂
Vielen lieben Dank für dieses schöne Feedback. Ich hoffe von Herzen, dass deine „Senioren“ und du noch viele schöne Jahre miteinander habt! Und wenn es wirklich einmal soweit ist, bekommen andere, vielleicht sonst nicht mehr ganz so leicht vermittelbare Katzen, bei dir ein super Zuhause.