Dr. Google und Co.

Dr. Google

Es scheint fast so, als wäre es mittlerweile Usus, bei medizinischen Problemen oder Verhaltensauffälligkeiten von Katzen zunächst einmal Dr. Google zu befragen oder in Katzenforen bzw. den sozialen Medien zu posten.  Und so sicher wie das Amen im Gebet kommt dann immer auch die Antwort: „Sofort zum Tierarzt.“ In diesem Beitrag möchte ich beleuchten, warum es durchaus Sinn macht, sich auch (!) online zu informieren und was dabei zu beachten ist.

Dr. Google als Lösung?

Dr. Google als Diagnostikersatz?

Wer kennt es nicht? Da „stimmt“ etwas bei einem selber oder der Katze nicht und was liegt näher, als der „schnelle Klick“, um mal zu sehen, was das sein könnte. 

Bei unspezifischen Symptomen, die noch nicht weiter abgeklärt worden sind, erhält man so aber fast immer eine gefühlt endlose Liste möglicher Ursachen, bei denen viele dazu angetan sind, einen mal eben in Panik verfallen zu lassen. (Da wird im Hinterkopf z. B. aus einer kleinen Hautirritation schon mal schnell Hautkrebs.) Wenn diese Panik dann dazu führt, dass unverzüglich ein Arzt/eine Ärztin aufgesucht wird, um die Sache tatsächlich abklären zu lassen, hatte sie zwar auch was Gutes, man hätte sich die „Panikattacke“ aber auch gleich (er)sparen können, indem man im Zweifelsfall gleich einen Arzttermin ausgemacht hätte.

Wann Dr. Google tatsächlich Sinn machen kann

Anders sieht es hingegen aus, wenn man schon eine spezifische (Verdachts-)Diagnose hat. Da kann es durchaus lohnenswert sein, sich online selbst näher zu informieren. 

Ein Beispiel zur Diagnostik

Ich kenne inzwischen unzählige Beispiele von Katzen, bei denen Tierärzte/Tierärztinnen nur anhand eines Blutbildes eine CNI (Chronisches Nierenversagen) „diagnostiziert“ habe, obwohl in Wahrheit „nur“ eine ANI (Akutes Nierenversagen) vorgelegen ist. Auch bei Slimmy war das der Fall, als sie im Sommer 2018 ihren bislang schlimmsten Pankreatitisschub hatte, bei dem aber zuerst die Nierenwerte hochgegangen sind und der fPLi erst später angestiegen ist.

In solchen Fällen kann man über eine kurze Googlesuche tatsächlich sehr leicht feststellen, dass ein akutes Nierenversagen häufig als „Begleiterscheinung“ anderer Erkrankungen auftritt und was tatsächlich alles notwendig ist, um eine CNI richtig zu diagnostizieren. (Unter anderem kann man das auch hier im Beitrag zu Nierenproblemen bei Katzen nachlesen. (;) Mit diesem Hintergrundwissen kann man dann auch auf eine ordentliche (umfassende) Diagnostik bestehen und im Zweifelsfall die eigentliche Grundproblematik herausfinden, damit die Katze richtig behandelt werden kann.

Ein Beispiel zur Behandlung

Ich kenne leider auch zig Beispiele, bei denen „Struvit-Katzen“ laut TierärztInnen ihr restliches Leben lang Spezialfutter fressen sollten. Darüber, wie mies die meisten davon zusammengesetzt sind, wird (natürlich) nichts gesagt, ebenso wenig wie die Gefahren erläutert oder Alternativen erklärt werden. Zugegebenermaßen dauert eine ausführliche Erklärung, was Struvit eigentlich ist, warum Struvit auftreten kann und wie man am sinnvollsten vorgeht, um die vorhandenen Kristalle wieder aufzulösen und die Bildung weiterer Kristalle zu verhindern, lange. Sicherlich zu lange, für die durchschnittliche Ordinationszeit. Gerade in solchen Fällen macht es dann Sinn, sich selbst entsprechend einzulesen, wie z. B. hier im Beitrag zu Struvit.

Gute Internetseiten erkennen

Selbstverständlich findet sich im Internet auch unsäglich viel Unsinn. Nur weil jemand eine Internetseite hat/betreibt, heißt das noch lange nicht, dass diejenige Person auch Ahnung hat. Da ist natürlich jede/r von uns selbst gefragt, sich kritisch mit dem Gelesenen auseinanderzusetzen und nicht einfach alles blindlings zu glauben.

Zentrale Kriterien für die Beurteilung von Informationen aus dem Netz sind für mich immer: Klingt das alles (auch aufgrund meiner eigenen Kenntnisse) plausibel, hält das Geschriebene „Gegenchecks“ mit Informationen aus anderer Quelle (z. B. Fachliteratur) stand und vor allem auch, werden die getätigten Aussagen belegt? Werden also Quellen angeführt und im Idealfall auch mit ordentlichen Zitaten belegt? (Gibt es also nicht nur eine Literaturliste am Ende eines Beitrages, sondern wird in Fuß- bzw. Endnoten ordentlich ausgewiesen, woher genau eine Information stammt.) Bzw.: Ist an entsprechenden Stellen auf weiterführende (seriöse) Informationsseiten verlinkt?

Katzenforen und soziale Medien

Welche Nachfragen in Foren und sozialen Medien keine Sinn machen

Ehrlich, es gibt Posts, die machen mich einfach nur wütend. (Würde ich noch daran zweifeln, dass es Menschen gibt, denen es – höflich ausgedrückt – an gesundem Hausverstand mangelt, würde ich es nach solchen Posts nicht mehr tun.)

Ja, es gibt tatsächlich Menschen, die glauben, es sei sinnvoll, in akuten Notfällen erstmal auf Facebook und Co. zu posten, statt das Tier direkt in die nächste Tierarztpraxis zu bringen.

Ich gebe hier mal zur Verdeutlichung ein paar Beispiele sinngemäß wieder, die ich tatsächlich alle so schon gelesen habe:

  • „Ich habe meiner Katze gestern Abend aus Versehen die Türe voll gegen den Kopf geschlagen. Heute wirkt sie immer noch benommen, kann nicht gerade aus gehen, sondern taumelt nur. Was könnte das sein? Meint ihr, ich sollte mal mit ihr zum Tierarzt gehen?“
  • „Ich glaube, unsere Katze bekommt jetzt die Jungen. Sie liegt schon seit Stunden auf der Seite ohne sich viel zu bewegen und es rinnt ständig Blut unten raus. Fotos von der immer größer werdenden Blutlache anbei. Meint ihr, das ist noch normal?“
  • „Unsere Katze erbricht sich seit Tagen ständig, hat blutigen Durchfall und will nicht mehr fressen. Kennt irgendjemand ein Hausmittel dagegen? Gleich zum Arzt rennen will ich ja auch nicht.“

Ganz ehrlich, wer in solchen Fällen jemand anderen braucht, um gesagt zu bekommen, dass das Tier UNVERZÜGLICH in die nächste Tierarztpraxis gebracht werden muss, der sollte überhaupt keine Tiere halten dürfen.

Welche Nachfragen in Foren und sozialen Medien Sinn machen

Tipps, auf was bei der Erstuntersuchung zu achten ist

Kein Mensch kann aufgrund von einer Schilderung oder Fotos eine Ferndiagnose per Kristallkugel liefern. Selbst bei unspezifischen Symptomen kann es aber Sinn machen, nicht nur einen Termin in der Tierarztpraxis zu machen, sondern sich parallel dazu auch schon Tipps zu holen, auf was man bei der Untersuchung alles achten sollte. Das kann einem nämlich nicht nur eigentlich unnötige mehrfache Tierarztbesuche ersparen, sondern auch verhindern, dass die Katze einfach mal so ins Blaue „antherapiert“ wird.

Ein leider häufig vorkommendes Beispiel, das man mit ein bisschen Vorabinformation vermeiden könnte:

Die Katze ist unsauber geworden, kann nicht richtig Urin absetzen etc. Leider gibt es dann immer noch viele TierärztInnen, die auf bloßen Verdacht eine Blasenentzündung „diagnostizieren“, erst einmal ein Antibiotikum geben und jedwede Diagnostik auf später verschieben. So nach dem Motto: „Wenn das Antibiotikum nicht anschlägt, können wir ja mal schauen, was der Katze eigentlich tatsächlich fehlt.“ Wer sich vorab informiert hat und weiß, dass es zig Ursachen (im verlinkten Beitrag im Detail nachzulesen) für die Problematik gibt, kann hier gleich einschreiten, eine ordentliche Urinuntersuchung verlangen und verhindern, dass der Katze womöglich ein völlig unnötiges Medikament gegeben und die richtige Behandlung unnötig verzögert wird.

Tipps zur weiteren Diagnostik und Behandlung

Leider gibt es erschreckend viele TierärztInnen, denen, sobald sie ihr „Standardprogramm“ abgespult haben, nichts mehr weiter einfällt oder die unverständlich lange zuwarten, ob ihre „Standardbehandlung“ nicht doch noch anschlägt. In solchen Fällen kann es im Zweifelsfall sogar überlebenswichtig sein, dass wir TierhalterInnen uns selbst informieren und uns z. B. von anderen erfahrenen TierhalterInnen Rat holen, die nicht selten selbst schon in derselben Situation gesteckt haben und nur durch Eigeninitiative ihre Tiere retten konnten.

Ein Beispiel, das ich so leider tatsächlich vor nicht allzu langer Zeit in einem Forum „erlebt“ habe:

Der Kater musste häufig erbrechen und wollte nicht mehr fressen. Der Tierarzt tastete ihn ab und nahm eine oberflächliche Untersuchung vor. Es wurde weder geröntgt, noch ein Ultraschall gemacht, noch Blut abgenommen. Stattdessen gab es eine Infusion, etwas gegen die Übelkeit und (natürlich – *Sarkasmusalarm*) ein Antibiotikum, man vermutete ja (mal wieder) einen Magen-Darm-Infekt. (Gegen die Übelkeit gab es übrigens Cerenia, obwohl noch nicht einmal eine Vergiftung ausgeschlossen worden war.) Da es dem Kater nach dieser Behandlung nicht besser ging, fragte die Besitzerin dann im Forum nach. Erfahrene UserInnen waren prompt mit der ganzen Liste von möglichen weiteren Ursachen (vom Darmverschluss bis zur akuten Pankreatitis) zur Stelle und zählten auf, welche Untersuchungen für die entsprechende Diagnostik alle nötig wären. Am nächsten Tag ging es wieder zum Tierarzt. Anstatt das vorgeschlagene Kontrastmittelröntgen bzw. einen Ultraschall zu machen und Blut abzunehmen, bekam der Kater wieder eine Infusion und Cerenia. Tagelang war die Besitzerin jeden Tag beim Arzt, tagelang wurde im Forum mantraartig wiederholt, auf welche Untersuchungen sie jetzt doch bitte (endlich) auch gegen die Vorstellungen des Arztes bestehen sollte bzw. dass hier ein Tierarztwechsel sehr anzuraten sei. Irgendwann wurde dann zumindest Blut abgenommen und ins Labor geschickt, nachdem wertvolle Tage ungenutzt verstrichen waren.

Langer Rede, kurzer Sinn: Zum Schluss stellte sich heraus, dass der Kater einen Darmverschluss und – da dieser so lange unbehandelt geblieben war – bereits eine Sepsis hatte. Zum Glück konnte er in einer Notoperation in einer Tierklinik noch gerettet werden. Wäre das von zig Forenmitgliedern gleich zu Anfang empfohlene Kontrastmittelröntgen schon bei der ersten, oder wenigstens bei der zweiten Untersuchung gemacht worden, hätte der Darmverschluss gleich und nicht erst in der allerletzten Sekunde festgestellt und entsprechend behandelt werden können.

Infos, die unnötige Tierarztbesuche ersparen

Die wenigsten Katzen sind von Tierarztbesuchen begeistert und in einigen Fällen kann man ihnen tatsächlich unnötige Fahrten in die Praxis ersparen.

Vielleicht kennt Ihr ja z. B. auch Fotos von Großaufnahmen von Katzenköpfchen, weil den BesitzerInnen „plötzlich“ aufgefallen ist, dass die Katze weniger Fell im Bereich zwischen Ohren und Augen hat? Es ist aber ganz normal, dass das Fell dort etwas lichter ist. Man sieht es nur bei unterschiedlichem Licht und aus unterschiedlichen Winkeln mal deutlicher und mal gefühlt gar nicht. Und gerade bei dunklerem Fell sieht man es auch eher als bei hellerem. Zur Verdeutlichung ein Foto von Slimmy:

Ein Fall für Dr. Google?

Nur zur Sicherheit: Wir reden hier nicht von tatsächlich kahlen Stellen, oder Stellen die plötzlich jucken, einen Ausschlag zeigen etc. Sondern einfach nur von der etwas weniger dicht behaarten Stelle zwischen Ohrmuschel und Auge.

Moralische Unterstützung

Nicht zu unterschätzen ist auch, wie hilfreich es (von allen medizinischen Infos mal abgesehen) sein kann, sich einfach mit anderen Betroffenen auszutauschen. Zu hören, dass andere es auch geschafft haben, dass man nicht alleine ist. Wie gut es einfach tut, dass da Leute sind, die die eigenen Sorgen nicht abtun, weil es „ja nur ein Tier“ ist, sondern die mitfiebern, die Daumen drücken und nachfragen, wie es einem und dem Tier geht. Nicht jede/r hat solche Menschen im persönlichen Umfeld und auch wer sie hat, kann diese Menschen zwischendurch auch einfach überfordern, wenn man gefühlt „ständig jammert“ und über gar nichts anderes mehr sprechen kann.

Praxistipps

Gerade wer bislang das Glück hatte, dass die eigenen Katzen immer gesund waren, ist oft auch schon mit dem praktischen „Rundherum“ überfordert. Das fängt damit an, wie zum Teufel man das Tier in die Transportbox bringen soll und endet in (gefühlten) Nervenzusammenbrüchen bei der Medikamentengabe. Da ist es oft einfach schon mal gut für die Seele zu hören, dass man nicht der einzige Mensch auf dem Planeten ist, der damit Probleme hat. Und noch wichtiger ist es, wenn man dann eine ganze Reihe von bewährten Praxistipps bekommt, wie es doch – auch einfacher und stressfreier für alle Beteiligten – funktionieren kann. Ich selbst hatte z. B. zunächst wahnsinnig Respekt davor, selbst subkutan zu infundieren. Da war es schon hilfreich, dass andere das trotz aller anfänglichen Bedenken auch hinbekommen haben. Eine liebe Forine, die mir damals generell sehr viel geholfen hat, hat mir dann auch noch erzählt, dass sie an einem alten Plüschtier „Trockenübungen“ gemacht hat. Daraufhin musste gleich mein alter Plüschhase dran glauben. Das hat mir damals ungemein geholfen. Von alleine wäre ich nie auf die Idee gekommen…

„Hintergrundinformationen“

Im normalen Praxisalltag bleibt üblicherweise nicht die Zeit, PatientenbesitzerInnen immer ausführlich alle Details über die jeweilige Erkrankung zu erklären. Oftmals muss man bei solchen Erklärungen ja wirklich bei Null anfangen, weil einfach die grundlegendsten Kenntnisse fehlen. Außerdem gibt es genügend Leute, denen man Dinge nicht nur ein-, oder zwei-, oder dreimal erklären muss, bis sie halbwegs verstanden haben, worum es geht. Dass TierärztInnen dafür nicht immer ausreichend Zeit haben, ist mehr als verständlich. Immerhin warten im Wartezimmer ja auch noch weitere Patienten. Da kann es oft sehr hilfreich sein, wenn man online auch mehrfach nachfragen kann und auch von mehr als einer Person Auskunft erhält. (Dann erhöhen sich auch die Chancen, dass eine „verständliche“ Antwort dabei ist. (;)

Vorurteile gegen Foren und soziale Medien

„Das sind alles keine Ärzte.“

Ja, es stimmt, die wenigsten TierärztInnen werden in ihrer Freizeit kostenlose Tipps in diversen Foren oder in den sozialen Medien geben. Es gibt aber auch viele Leute, die zwar kein Veterinärmedizinstudium absolviert, aber dennoch sehr viel Erfahrung haben und diese gerne teilen. Z. B. Menschen, die selbst lange in Tierarztpraxen oder Tierheimen gearbeitet haben oder noch arbeiten, die selbst aus dem humanmedizinischen Bereich kommen, in Laboren arbeiten, oder Leute, die selbst mit ihren Tieren jahrelange Krankengeschichten „durch“ haben. Man sollte auch eines nicht unterschätzen: So gut wie kein/e TierärztIn hat die Zeit, sich neben der Arbeit mit jeder neuen Studie, jedem neuen Medikament, jedem neuen Behandlungsansatz zu jeder x-beliebigen Erkrankung (bei allen Tieren vom Rind bis zur exotischen Spinne) eingehend zu beschäftigen. Andererseits gibt es aber durchaus gar nicht wenige Laien, die sich aufgrund der Erkrankung des eigenen Tieres ganz intensiv mit einer speziellen Krankheit auseinandersetzen, Fachliteratur wälzen, sich umfangreich informieren, austauschen, neue Studien lesen etc. etc. und dann in Bezug auf diese eine Erkrankung (und diverse damit häufig auch auftretender Probleme) einfach mehr „drauf“ haben als so mancher Tierarzt/so manche Tierärztin. Nur z. B. gibt es auf Facebook eine eigene Gruppe für Katzen mit CNI/ANI, in der Leute dabei sind, vor deren spezifischem Fachwissen man echt nur den Hut ziehen kann. Übrigens: Wer dort mal ein bisschen stöbert, findet eine erschreckende Menge an falschen CNI-Diagnosen von TierärztInnen. Und nur Dank der Hilfe der „Laien“ konnte dann schlussendlich festgestellt werden, dass keine CNI, sondern eine ANI aufgrund von FORL, in Begleitung einer Pankreatitis etc. vorgelegen ist. Eine ähnlich tolle Facebook-Gruppe ist z. B. FIPfree – Feline Infectious Peritonitis ist heilbar. (Und bevor jetzt Missverständnisse entstehen: Selbstverständlich ist nicht automatisch jede/r, der einer solchen Gruppe beitritt, ein/e ExpertIn. Aber es gibt dort eben auch Leute, die echt wissen, von was sie reden bzw. schreiben und einem sehr fundiert helfen können.)

Ein Beispiel, dass manchmal auch einfach schon gesunder Hausverstand ausreicht

Auch aus den oben bereits gebrachten Beispielen geht ja hervor, dass man eigentlich kein abgeschlossenes Medizinstudium braucht, um zu wissen, dass eine ordentliche Diagnostik VOR die Verabreichung irgendwelcher Medikamente gehört. Hier noch ein Beispiel aus meinem persönlichen Umfeld:

Der (bereits ältere) Kater hatte innerhalb relativ kurzer Zeit massiv abgenommen (praktisch nur noch ein mit Fell überzogenes Gerippe war übrig) obwohl er überdurchschnittlich viel gefressen hat. Außerdem hatte er seit längerer Zeit breiigen bis flüssigen Kot und extrem stumpfes, struppiges Fell. Mein erster Gedanke als Laie war: Das könnte eine Schilddrüsenüberfunktion sein. Mein zweiter Gedanke als Laie: Das könnte aber auch Diabetes sein. Mein dritter Gedanke als Laie: Auch eine Pankreasinsuffizienz würde ich nicht ausschließen. (An Krebs habe ich natürlich auch gedacht, aber man will ja zunächst noch optimistisch sein. Und dass nach inzwischen so langer Zeit mit schlechtem Kot zusätzlich auch eine Dysbiose vorliegen musste, lag ohnehin auf der Hand.) Ich habe der Besitzerin nicht nur die in meinen Augen wahrscheinlichsten möglichen Ursachen genannt, sondern ihr auch zur Sicherheit gleich eine Liste mit allen notwendigen Untersuchungen zusammengestellt (weil ich leider aus Erfahrung schon weiß, welche Blutwerte etc. TierärztInnen üblicherweise nicht gleich mittesten). Gemacht wurde beim Tierarzt: Eine oberflächliche Untersuchung. Dazu wurde dem dehydrierten Tier eine Infusion gegeben. Blut wurde nicht abgenommen, weil es nicht gleich funktioniert hat. Ultraschall etc. – Fehlanzeige. Statt das Tier für einen der kommenden Tage erneut einzubestellen, um doch noch Blut abzunehmen, wurde ein Schilddrüsenmedikament bestellt. Das sollte er jetzt erst einmal bekommen, um zu schauen, ob es damit besser wird. Aus diversen möglichen Diagnosen wurde also willkürlich eine herausgepickt und ein Medikament gegeben, das als Diagnostikersatz dienen sollte. Um zu wissen wie gefährlich das – gerade bei einem Tier in einem ohnehin schon so schlechten Zustand – ist, brauche ich nicht Medizin studiert zu haben. Und auch ohne ein entsprechendes Studium ist mir bewusst, dass ein unnötig verabreichtes Schilddrüsenmedikament das Tier auch in eine Schilddrüsenunterfunktion drücken kann. Ganz zu schweigen davon, dass das eigentliche Problem weiter unbehandelt bleibt, wenn die nach dem „Ene mene muh“-Verfahren herausgepickte Verdachtsdiagnose nicht die richtige war….

Zwischenzeitlich ist der Kater übrigens verstorben. Was er tatsächlich hatte, weiß immer noch niemand.

„Fragen nach Blutbildern und anderen Befunden sind Wichtigtuerei.“

Wird nach Blutbildern oder Befunden gefragt, kommen immer mal wieder Aussagen à la: „Damit könnt ihr doch eh nichts anfangen. Das muss schon der Tierarzt beurteilen.“

Es gibt allerdings diverse Gründe, warum es wichtig ist, solche Befunde zu kennen, um weitere Ratschläge geben zu können:

  • Sowohl aus eigener Erfahrung als auch durch zig Fälle, die ich in den letzten Jahren kennengelernt habe, weiß ich, dass die tierärztliche Aussage, dass „alle“ Blutwerte unauffällig waren, alles oder nichts heißen kann. Oder anders ausgedrückt: Das kann alles bedeuten von „die paar Blutwerte, die ich selbst testen konnte, haben nichts gezeigt“ bis hin zu „es wurde wirklich umfassend untersucht aber nichts gefunden“. Ich maße mir zwar nicht an, jedes Blutbild bis ins letzte Detail auswerten zu können, aber ob und welche wesentlichen Werte fehlen, sehe ich mittlerweile doch auf einen Blick. Nur z. B. werden in den allermeisten Fällen Pankreas- (fPLi, TLi, Folsäure, Vitamin B12) und Schilddrüsenwerte (T 4) nicht gleich mitgetestet und oftmals auch nicht nachbestellt, wenn man nicht selbst darauf besteht.
  • Auch bei Kotuntersuchungen kann es sein, dass lediglich ein Giradien-Schnelltest gemacht wurde, dem/der TierbesitzerIn aber vermittelt wird, „alles“ sei untersucht worden. Und da ist es schon hilfreich, wenn Leute mit mehr Erfahrung einem mal sagen, was da alles tatsächlich NICHT getestet wurde, aber die Problematik auslösen könnte.
  • Gleiches gilt für Urinuntersuchungen, die eben nicht nur daraus bestehen dürfen, dass ein Stick in den Urin getunkt wird.
  • Schließlich gibt es auch Fälle, in denen ein/e FragestellerIn ganz bewusst falsche Fakten vermittelt, auf deren Basis man keine weiteren Ratschläge geben kann. So habe ich etwa tatsächlich schon erlebt, dass jemand steif und fest behauptet hat, alle Blutwerte wären ohne Befund gewesen. Auf explizite Nachfrage wurde sogar erklärt, auch der fPLi und Co. wären in der Referenz gewesen. Im Endeffekt hat sich aber herausgestellt, dass überhaupt nie eine Blutuntersuchung stattgefunden hat, sondern sich alle Behauptungen der Tierbesitzerin darauf stützten, dass sie einer „Fernheilerin“ ein paar Katzenhaare geschickt hat. Und die hat anhand der Haare behauptet, dass alle Blutwerte in Ordnung wären.

Spreu vom Weizen trennen

Genauso wie es auf der einen Seite tolle TierärztInnen und auf der anderen Seite solche gibt, die ihr Diplom in der Lotterie gewonnen zu haben scheinen, gibt es auch online Leute, die sich wirklich auskennen und die einem sehr viel weiterhelfen können und solche, die keine Ahnung von irgendetwas haben und im Zweifelsfall auch noch gefährliche und schädliche Tipps geben.

Hier ein paar Anhaltspunkte, wie man erkennen kann, auf wessen Tipps man hören sollte und wen man am besten gänzlich ignoriert.

Wer sich auskennt

  • ist sich immer bewusst, wo die eigenen Grenzen (des Wissens) liegen und gibt das auch offen zu.
  • stellt niemals anhand von geschilderten Symptomen eine Kristallkugeldiagnose, sondern wird immer nur anführen, welche Ursachen MÖGLICH sind.
  • wird immer darauf hinweisen, dass ein Tierarzt/eine Tierärztin aufzusuchen ist, um die möglichen Ursachen abzuklären.
  • kann benennen, welche Untersuchungen sinnvoll sind (auch z. B. mit spezifischen Blutwerten, die eben nicht standardmäßig mitgemacht werden).
  • ist in der Lage, etwas auf Nachfrage auch ausführlicher zu erklären und seine/ihre Ausführungen z. B. mit entsprechenden Studien, Fachliteratur oder Links auf Seiten von Laboren belegen. Das hat nicht nur den Vorteil, dass man sich selbst dann dank dieser Hinweise noch weiter einlesen kann, man kann dann beim nächsten Tierarztbesuch auch angeben, dass man die Info aus dieser oder jener Fachliteratur, von der Homepage dieses oder jenen Labors etc. hat. (Dann wird man meistens auch ernster genommen, als wenn man sich darauf beruft, dass einem das irgendwer im Netz erzählt hat.(; )
  • fragt nach Blutwerten etc. und verlässt sich nicht auf „passt eh alles“-Aussagen.

Abstand zu halten ist von Aussagen selbsternannter „ExpertInnen“, die

  • anhand (einiger weniger) unspezifischer Symptome eine (vermeintliche) Diagnose stellen (häufig nach dem Motto: „Das hatte meine Katze auch, das ist die Krankheit XY.“)
  • ohne zu wissen, was dem Tier eigentlich fehlt, gleich mal Spezialfutter oder Medikamente empfehlen. (So passiert es z. B. leider sehr häufig, dass einer Katze, die an Problemen beim Urinabsatz leidet, gleich mal Spezialfutter gegeben werden soll, weil diejenigen, die es empfehlen gar nicht wissen, wofür dieses Spezialfutter eigentlich dient und was es bewirkt. Mindestens ebenso häufig wird z. B. bei Augenproblemen gleich mal Kamillentee empfohlen, obwohl das grundsätzlich Unsinn ist, wie im verlinkten Beitrag nachzulesen.)
  • auf Nachfrage nur antworten können, dass es „bei ihnen“ auch so war, bzw. irgendein Medikament, Futter, Hausmittelchen auch geholfen hat.
  • ihre Behauptungen nicht untermauern/belegen können.

Posts sinnvoll gestalten

Um möglichst gute Chancen zu haben, auch wirklich (möglichst schnell) kompetente Hilfestellungen zu bekommen, sollten  folgende Punkte berücksichtigt werden:

Die richtige „Anlaufstelle“ wählen

In sozialen Medien, in denen es hauptsächlich darum geht, Likes für süße Bilder zu verteilen (wie z. B. Instagram oder diverse Facebookgruppen) nachzufragen, macht (natürlich) weniger Sinn, als sich gezielt entweder an spezifische Facebookgruppen (wie z. B. die oben schon genannten) oder Foren zu wenden. Bei der Suche nach dem „richtigen“ Forum sollte man zunächst einmal ein bisschen „querlesen“, um zu sehen, wie dort grundsätzlich auf (ähnliche) Fragen reagiert wird. Kommen viele Antworten, die schon einmal danach klingen als wären hier Leute unterwegs, die Ahnung haben (siehe die Checkliste oben)? Sind überhaupt (noch) viele Leute regelmäßig hier unterwegs? (Auf einer Seite zu fragen, die kaum mehr frequentiert wird, erhöht ja auch nicht gerade die Chancen überhaupt eine Antwort zu bekommen.)

In Foren gibt es übrigens auch meistens Unterforen. Wer seine Frage im passenden Unterforum stellt, erhöht seine Chancen deutlich, von den „richtigen“ Leuten, die sich mit der spezifischen Problematik auskennen, gesehen und gelesen zu werden. Übrigens: Es macht wenig Sinn, einen Post parallel in mehrere Unterforen zu stellen. Die sich überkreuzenden Antworten verwirren meist nur den/die FragestellerIn und machen es für jene, die versuchen zu helfen unnötig kompliziert.

Aussagekräftige Überschriften

Damit möglichst viele „richtige“ Leute den Post sehen, sollte man außerdem schon in der Überschrift klar machen, um was es geht. Ein schwammiges „Ich brauche Hilfe“ ist weitaus weniger sinnvoll als wenn die Problematik gleich in einigen aussagekräftigen Stichworten klar gemacht wird.

Möglichst genaue und detaillierte Angaben machen

Um allen Beteiligen Zeit und Mühe zu ersparen, sollten möglichst gleich zu Beginn alle relevanten Infos gegeben werden. Es ist nämlich äußerst mühsam, wenn man den FragestellerInnen erst tagelang alles aus der Nase ziehen muss. Also:

  • die Problematik so genau und gezielt wie möglich beschreiben.
  • genaue Angaben machen, welche Symptome seit wann vorliegen.
  • detailliert angeben, was bereits beim Tierarzt/bei der Tierärztin untersucht wurde und welche Ergebnisse bei diesen Untersuchungen herausgekommen sind.
  • genau angeben, welche Medikamente bereits gegeben werden/wurden. Im Zweifelsfall kann man da auch einfach auf der Rechnung nachschauen oder nochmal in der Tierarztpraxis nachfragen. „Irgendwas gegen Übelkeit“, „irgendwelche Spritzen/Tabletten“ etc. sind leider keine Auskünfte, auf denen jemand der helfen möchte, sinnvoll aufbauen kann.
  • wenn bereits vorhanden, Befunde einstellen, denn Aussagen à la „die Werte waren eh alle ok“ helfen niemandem weiter. Übrigens: Befunde sollte man sich sowieso generell immer für die „persönliche Katzenkrankenakte“ geben lassen, es kann ja auch sein, dass man den Tierarzt wechseln will/muss, am Wochenende zum Notdienst/in eine Tierklinik muss etc. Ich weiß, manche Menschen scheuen davor zurück, sich die Befunde ausdrucken oder schicken zu lassen. Dafür gibt es aber keinen Grund, schließlich hat man ja auch dafür bezahlt.

Im eigenen Interesse sollte man übrigens auch immer bedenken, dass Foren, Facebookgruppen und Co. keine „Antwortautomaten“ sind. Wer erwartet, dass andere ihre Freizeit opfern, um einem (kostenlos) weiterzuhelfen, sollte auch entsprechend höflich um Hilfe bitten. Zur Höflichkeit zählt für mich übrigens auch, dass man sich zumindest bemüht, sich an Rechtschreib- und Grammatikregeln zu halten, sowie Satzzeichen und Absätze zu benutzen, damit der Text möglichst problemlos lesbar ist. (;

Dr. Google und Co. – ein Fazit

Dr. Google, Foren und soziale Medien sind kein (kostengünstiger) Ersatz für den Tierarztbesuch! In diversen Fällen kann es aber sehr hilfreich sein, sich parallel zum Tierarztbesuch auch selbst anderweitig schlau zu machen. Das wichtigste dabei ist: Schlussendlich liegt die Verantwortung für das eigene Tier immer bei einem selbst! Sich einfach blindlings auf Informationen aus dem Netz zu verlassen kann fatal sein. Genau so fatal kann es aber auch ausgehen, wenn man sich einfach völlig blind auf einen Tierarzt/eine Tierärztin verlässt.

 

 

Teile diesen Beitrag gerne auf/per

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert